Neues aus Mexiko - Winkemännchen und Radrennen

Hallo Ihr Lieben,

 

endlich finde ich mal wieder ein bisschen Zeit, mich hinzusetzen und Euch zu schreiben. Wir hatten jetzt zwei Wochen Bewölkung und Regen, was im Februar - also im trockensten Monat hier - so ist, wie bei uns Schnee im August. Ich fing schon an, nervös zu werden, weil letzte Woche meine Mutter und Schwägerin zu Besuch gekommen sind und man sich als guter Gastgeber ja irgendwie sogar für das Wetter zuständig fühlt. Trotzdem war es natürlich deutlich wärmer als in Deutschland (was im Moment ja aber auch wirklich keine Kunst ist), sodass sie es hier trotzdem als schönes Wetter empfinden. Seit gestern scheint jetzt auch wieder die Sonne und Mexiko zeigt sich von seiner besten Seite. 

Seit die beiden hier sind, fahre ich ziemlich viel in der Gegend rum und werde dadurch nun auch noch selbstständiger. Zum Beispiel war ich zum ersten Mal mit dem Auto in der Innenstadt, was Andere hier jahrelang nicht tun, weil der Verkehr so chaotisch ist. Morgen geht es für knapp eine Woche mit dem Reisebus nach Oaxaca, was ca. 400 km südlich von hier liegt und sehr malerisch ist. Da ich in unserem Dreier-Kleeblatt diejenige bin, die als Einzige Spanisch spricht, werde ich eben auch für die Kommunikation verantwortlich sein. Unterwegs mit Lutz und den Kindern ist das komplett anders, weil die drei Männer alle besser sprechen als ich. Mein Spanisch ist inzwischen aber auch schon so, dass ich fast alles verstehe und mich über alles unterhalten kann – ich bin damit ziemlich zufrieden.

Im Gegensatz zu den anderen deutschen Müttern habe ich aber auch die Möglichkeit, an der Schule ganz viel Spanisch zu sprechen, sodass ich ständig üben kann. Die Arbeit macht immer noch Spaß, bis auf einen Bereich, in dem ich gemeinsam mit mexikanischen Elternvertreterinnen Events und Ausflüge für Eltern plane (=> "Conoce Mexico")...

Es gibt aber auch eine Gruppe deutscher Mütter, mit denen ich arbeite und das läuft wie erwartet wie am Schnürchen. Das gemeinsame Planen mit Mexikanern ist deshalb so schwierig, weil alles immer von allen, die in der Schulhierarchie über Dir stehen abgesegnet werden muss und alle Aufgaben, die man verteilt, leider drei mal kontrolliert werden müssen, ob sie auch wirklich pünktlich gemacht werden. Und das braucht natürlich entsprechend viel Zeit (die ich nicht habe) und Nerven (die ich zum Glück habe). 

Wenn dann Einladungen für ein großes Fest drei Tage vorher immer noch nicht verschickt sind, weil sie noch nicht jeder genehmigt hat oder der, der die Einladung schreiben sollte, nicht in die Pötte kommt ... Naja, ich hab schon eine Lösung gefunden und werde nach den Osterferien diesen Teil meiner Aufgaben einfach kappen...

Ansonsten gibt es immer mehr zu tun, als wir Leute haben und das Verhältnis zu meiner älteren mexikanischen Kollegin ist immer noch nicht so toll, aber sie geht im August in Rente und wir sind alle sehr gespannt, wer dann nach kommt.

 

Vor 2 Wochen hatten wir Montags frei (Feiertag) und Lutz und ich sind (das erste Mal ganz ohne Kinder) für drei Tage in der Gegend rum gefahren. Wir waren eine Nacht in Tepozlan, was ein sehr malerisches kleines Dorf ist und dann noch eine Nacht in Taxco, einer Stadt südwestlich von Mexico City, die sich auf den Verkauf von Silberschmuck spezialisiert hat. Taxco ist eine wunderschöne kleine Bergstadt, erinnert von der Atmosphäre her an süditalienische Städte, liegt in den Hang eines Bergs geschmiegt und hat lauter verwinkelt kleine enge Gässchen. Wir haben das Glück gehabt, dass wir in einem ehemaligen Konvent mit Innenhof direkt in der Innenstadt wohnen konnten, wo es wunderbar ruhig war und haben abends auf der Dachterrasse über der Stadt gesessen. 

Was für uns als Europäer allerdings mal wieder unbegreiflich war, ist die Lautstärke und das Gewusel, die hier herrschen... Durch die engen Gässchen (gerade mal so breit, dass ein Auto und ein Fußgänger nebeneinander passen) wälzen sich 18 von 24 Stunden ein Auto hinter dem anderen; vor allem Taxis (alles weiße VW-Käfer) und Kleintransporter in endlosen Runden. Da die Straßen und Plätze wirklich unglaublich niedlich und eng sind, gibt es natürlich auch keinen Platz zum Halten geschweige denn zum Parken. Also dreht die Schlange der Autos und Kleinbusse Runde um Runde und fährt einfach immer weiter wie ein Karussell. Wenn jemand ein- oder aussteigen will, hält die ganze Blechlawine komplett einen Moment an und nach 2 Minuten setzt sich das ganze Karussell wieder in Bewegung – Bimbim! Alles einsteigen! Sehr skurril! 

Trotzdem war es natürlich wieder ein sehr netter Kurztrip und ich frage mich danach immer, wieso wir das in Deutschland nicht öfter machen!

 

Was kann ich noch berichten: Ach ja, ich wollte Euch mal von den „Winkemännchen“ erzählen. Winkemännchen sind Leute, die sich eine Arbeit gesucht haben, indem sie sich im Supermarkt ein stabiles Tuch gekauft haben und sich damit an den Straßenrand stellen. 

Einige suchen sich Stellen, an denen man öffentlich parken kann und wedeln mit ihrem Tuch alle vorüberfahrenden Autos an, um zu signalisieren, dass hier ein freier Parkplatz wäre. Auch beim Ausparken kommt man dann in den unfreiwilligen Genuss dieser fleißigen Helfer, die sich todesmutig mitten auf die Fahrbahn stellen, um herankommende Fahrzeuge aufzuhalten und Dir freie Fahrt beim Rückwärts-Ausparken garantieren – auch wenn die Straße gerade menschenleer ist. 

Den gleichen Service (natürlich immer gegen ein Trinkgeld) muss man auf allen Parkplätzen über sich ergehen lassen. Dort haben die Winkemännchen allerdings keine Tücher, sondern Trillerpfeifen und der Fahrer muss nun am Pfeifton und der Tonfolge erkennen, ob hinter ihm die Bahn frei ist oder nicht. Hektisches Pfeifen bedeutet nur leider sowohl „Jetzt fahr mal schnell raus!“ als auch „Achtung, da kommt einer!“. Zusätzlich wird die Situation dadurch erschwert, dass der Winkemann sich grundsätzlich so hinter das Auto stellt, dass er einem total die Sicht verstellt und man beim Ausparken jetzt nicht nur versuchen muss, trotzdem irgendwie den Parkplatzverkehr im Auge zu halten, sondern auch noch aufpassen muss, dass man diesen freundlichen Helfer nicht überfährt… eine echte Herausforderung!

Wenn ich aus dem Supermarkt komme, scanne ich also erst mal immer den Parkplatz, wo die Winkemänner sich gerade aufhalten und wenn sie weit entfernt am anderen Ende stehen, geht das Rennen los: Schaffe ich es trotz meiner Einkäufe schneller am Auto zu sein, Einzuladen und loszufahren, als er es schafft, zu meinem Auto zu rennen? Eine echte Chance hat man nur, wenn er gerade damit beschäftigt ist, Jemand anderen raus zu dirigieren, der sich ziemlich blöd anstellt. Immerhin, ein paar mal hab ich das Rennen dadurch schon gewonnen und war dann schon leider aus der Parklücke heraus, bevor er angerannt kam... 

Andererseits muss man schon wissen, dass die armen Leute sich mit dem kleinen Trinkgeld von 15 cts, das sie bekommen, ihren Lebensunterhalt verdienen und ja etwas dafür tun, anstatt zu betteln. Also ist man da dann auch gerne bereit, was zu geben. Ich würde allerdings auch mit Freuden 30 cts dafür bezahlen, dass sie sich nicht hinter mein Auto stellen und mir die Sicht versperren!

Winkemännchen gibt es übrigens auch auf der Straße vor Restaurants, einfach um darauf hin zu weisen, dass man hier etwas essen kann und dass (in dem auch von draußen deutlich sichtbar menschenleeren Restaurant) noch Plätze frei sind.

Und gestern habe ich zum ersten Mal noch eine dritte Sorte kennengelernt: 

Auf dem Parkplatz am Zocalo (Marktplatz) rannten lauter weiß gekleidete Winker rum, die unbedingt während meiner Parkzeit das Auto waschen wollten – gute Idee!

 

Übrigens

Bei „weiß gekleidet“ fällt mir noch eine andere witzige Sache ein: 

Freitagabend sind wir auf der Autobahn nach Mexico City unterwegs gewesen und da waren lauter weiß gekleidete Fahrradfahrer (natürlich ohne Licht) auf der rechten Spur der Autobahn unterwegs – supergefährlich!!!

Wir dachten uns: "Naja, ein bisschen doof geplant, dieses Radrennen im Dunkeln - aber nicht wirklich ungewöhnlich für Mexico".

Ein paar Kilometer weiter (und dann ca. alle 30 km) kam dann der „Mannschaftswagen“:

Ein Klein-LKW, der mit ca. 20 Stundenkilometer Geschwindigkeit ebenfalls auf der rechten Spur unterwegs ist und auf seiner Ladefläche einen transportablen, 2 m hohen bunt-blinkenden Altar mit einer Marienstatue herum fährt....

Das vermeintliche Radrennen ist nämlich gar kein Radrennen, sondern eine Fahrrad-Pilgerfahrt und die Heiligenstatue wird als Ansporn vor den radelnden Pilgern hergefahren wie eine Mohrrübe...

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