8 Wochen Puebla

8 Wochen sind jetzt rum und so langsam kehrt der Alltag ein. Lutz und die Jungs müssen jeden Morgen um 7.30 an der Schule sein (d.h. 6.00 Uhr aufstehen – gähn) und seit 4 Wochen fahre ich 3 mal pro Woche auch mit.

 

Der Schultag hier ist recht lang (bis 14.35), weil die Schule sowohl die deutschen als auch die mexikanischen Lehrpläne erfüllen muss und die Jungs dadurch zusätzlich Fächer wie Psychologie und Ethik haben. Außerdem haben wir noch Zusatzunterricht in Spanisch. 

Dafür, dass ich vor 8 Wochen noch kein einziges Wort gesprochen habe, geht es aber doch inzwischen ganz gut. Ich verstehe zumindest einfache Dinge und kann auch simple Sätze sagen. Letztens kam z.B. eine mexikanische Mutter in meine Beratung. Ich war davon ausgegangen, dass ihr deutscher Mann mit dabei sein würde, was aber leider nicht so war. Immerhin konnte ich ihr erklären, dass ich noch nicht gut genug spanisch spreche und mal eben eine Dolmetscherin holen muss. Geht doch!

 

Unter der Woche verabredet man sich hier eher selten, die meisten Aktivitäten finden am Wochenende statt. Wir werden immer noch regelmäßig zu Lehrerpartys eingeladen und nun haben wir auch noch die Ehre, vom Direktor und seiner Frau zu deren Geburtstagen eingeladen zu sein... 

 

Meine Arbeit macht mir großen Spaß, da ich mir meinen Bereich weitgehend selbst gestalten darf und nur dem Direktor unterstellt bin, der mich sehr unterstützt. Im Moment bin ich dabei, Tests an unsere Schule zu holen und Angebote für Lehrer, Eltern und Schüler auszuarbeiten. Meine deutsche Kollegin ist total nett, bei den mexikanischen Kolleginnen gibt es eine Nette und Eine, die nächstes Jahr zum Glück in Rente geht und überhaupt nicht gewohnt ist, sich mit irgendwem abzusprechen ... über die könnte ich hier Seiten füllen ... mache ich aber nicht ...

 

Ansonsten sind die LehrerInnen alle sehr nett zu mir und die deutschen Klassen, die ich betreue, melden mir alle zurück, wie froh sie sind, dass ich da bin. Das hört man natürlich gerne und es hat mir sehr geholfen, hier anzukommen. In der Pause habe ich Schülersprechstunde, da kommen sie und erzählen mir dann ihre Sorgen...

 

Morgen, am Tag der deutschen Einheit haben wir kein schulfrei, aber es gibt eine Zeremonie mit Aufführungen und die deutschen Lehrer kochen und backen typisch deutsches Essen für die mexikanischen Kollegen. Das gefällt mir sehr gut! Ich habe gestern für die Kollegen Weihnachtsplätzchen gebacken (Spekulatius und Vanillekipferl).

Beim Einkaufen habe ich gesehen, dass ich damit gar nicht zu früh bin; es gibt überall schon Weihnachtsdeko in allen Farben des Regenbogens zu kaufen. Natürlich ist es nicht ganz leicht, hier alle Zutaten zu bekommen, aber ich habe mir selbst geholfen und mir eine Kaffeemühle gekauft, mit der ich dann die Mandeln für die Plätzchen gemahlen habe. Und Puderzucker lässt sich damit auch aus ganz normalem Zucker machen.

 

Vor zwei Wochen haben wir nun endlich Gartenmöbel gekauft; jetzt fehlt nur noch ein Schreibtisch und ein Regal für meine vielen Bücher, die ich ja mitgenommen habe. Es ist hier tatsächlich billiger, sich Holz-Möbel zimmern zu lassen, als in den Möbelgeschäften die modernen Möbel nach amerikanischem Vorbild zu kaufen, also werden wir das auch tun.


Bis auf die kleinen Geduldsproben mit unserem Auto geht es uns allen sehr gut und wir sind immer noch auf Entdeckungsreise hier. So nach und nach finden wir uns ganz gut zurecht. Der Weg zum Supermarkt ist schon Routine und alles andere lässt sich auch irgendwie finden. Wir haben uns angewöhnt, jedes Wochenende mal mit dem Bus in die historische Altstadt zu fahren und fühlen uns dabei jedes Mal wie im Urlaub mit Bummeln und nett Essen gehen. Das sollte man zu Hause auch viel öfter machen!

      

Einen kleinen Schock musste ich letzte Woche verkraften: Da es hier kein Einwohnermeldeamt gibt, kann man Stromverträge und Anderes nur über einen bestehenden Mietvertrag abschließen, damit der Anbieter sicher sein kann, dass man einen festen Wohnsitz hat und nicht seine Leistungen in Anspruch nimmt und dann verschwindet. Aus irgendeinem Grund hatte unsere erste Stromzahlung aber nicht geklappt und die Stromfirma musste nun befürchten, dass wir zahlungsunfähig sind. Eine Strafverfolgung ist in so einem Fall schwierig, weil es ja keine Meldepflicht gibt, also muss jeder selbst dafür sorgen, dass seine angebotenen Leistungen nicht unbezahlt bleiben. 

Deshalb klopfte eines Tages ein Handwerker an meine Haustüre und hielt mir seine Kneifzange unter die Nase, öffnete unseren Stromkasten und bedeutete mir, dass er jetzt unsere Stromleitung durchknipsen werde. Wie Ihr Euch vorstellen könnt, war ich entsprechend geschockt, denn ich sprach zu dieser Zeit noch kein Spanisch und war total überfordert mit der ganzen Situation. Was tun? Zum Glück wohnte ja um die Ecke die nette Lehrerfamilie, die uns beim Ankommen in Mexico so toll unterstützt hatte und ich griff sofort zum Telefon, rief die liebe Nachbarin an und erklärte ihr die Lage. Zwei Minuten später stand sie vor meiner Haustür, redete freundlich lächelnd auf den Handwerker ein und fllüsterte mir zu: "Hol schnell 10€!" Ich rannte also ins Haus und holte das Geld, das sie mir sofort abnahm und dem freundlichen Herrn unter Schulterklopfen und viel Nicken und Lächeln in die Brusttasche schob. 

Sie hatte mit ihm vereinbart, dass wir das überfällige Geld jetzt sofort bar bei der Stromgesellschaft einzahlen würden, dann spätestens in einer Stunde mit dem Einzahlungsbeleg wieder hier sein würden und er bis dahin keine Kabel anrühren würde. Gesagt getan: Nach einer Stunde war die Gefahr gebannt, das Geld überwiesen, der freundliche Handwerker mit seiner bösen Kneifzange verschwunden und ich noch mal mit dem Schreck davon gekommen! Darauf haben wir dann erst mal einen Kaffee getrunken und uns weitere Schreckensgeschichten erzählt, die wir von anderen Leuten gehört hatten. Gruselig schön, wenn das nicht grade einem selber passiert...

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